33. Spieltag: Alemannia Aachen – Rot-Weiss Essen 1:1

Sonntag, 10.04.2022 14:00 Uhr – Tivoli
Zuschauer: 10.900; Gäste: ca. 2.400

Über 10.000 Zuschauer. Keine Zugangsbeschränkungen. Die Sonne scheint. Voller Gästeblock. Die Hose ist offen. Es ist angerichtet. Nach zwei Jahren sinnlosem dahindarben stehen wir wieder Seite an Seite mit unseren Freunden auf’m Tivoli. Schreien den Frust der Woche aus der Brust. Genießen die Freiheit. Das Leben hat wieder einen Sinn.

Wir begingen diesen besonderen Spieltag bereits einen Tag zuvor. Die Schlussphase dieser Saison hat begonnen und jetzt gilt es alle Kräfte zu mobilisieren, um den überlebenswichtigen Klassenerhalt zu schaffen. So tapezierten wir Aachen mit dem Spruch „Eine Stadt. Ein Verein = Alemannia Aachen“.

Am Spieltag selbst trafen wir uns morgens mit der restlichen Szene in der Stadt und marschierten von da aus gemeinsam Richtung Tivoli. Ab da begann für uns die lang ersehnte Stadionroutine mit dem Aufbau von Stand und Fahnen, die sich selbst nach zwei Jahren überraschend vertraut anfühlte. Es war wie die Rückkehr in ein altes Leben. Als wäre die Pause dazwischen nur ein böser Traum gewesen.

Die Karlsbande zeigte zu Beginn eine Choreo zu Ehren von 30 Jahren Aachen und Kerkrade, bestehend aus Block- und Zaunfahne mit Breaking Bad Motto. Ein geiler Auftakt, dem ein denkwürdiges Spiel folgen sollte.

Am Anfang spielte allerdings erst einmal nur Essen. Angriff um Angriff rollte auf’s Aachener Tor. Zahlreiche Essener gingen im Strafraum immer wieder zu Boden. Elfmeter und Gegentor lagen in der Luft. Doch unser Glück und der Schiri hatten zunächst etwas dagegen.

Die Werner Fuchs Tribüne agierte dabei auf einem ähnlichen Niveau wie die Mannschaft. Wir waren bemüht, letztlich fehlte es aber an Lautstärke, um die Mannschaft in dieser Essener Drangphase wirklich pushen zu können.

Und so geschah nach 20 Minuten das, was die meisten Realisten unter uns vorhergesehen hatten: Essen machte das verdiente 1:0. Mit der Stimmung ging es weiter bergab. Eigentlich sollte sich jeder Alemanne in dieser „Auf Leben und Tod“-Phase die Lunge aus dem Leib brüllen, um unsere Mannschaft auf die Siegerstraße zurückzubringen. Zum Glück übernahm das aber an diesem Tag unsere Mannschaft selbst. Nach dem Wiederanpfiff legte Schwarz-Gelb los, als hätten die Mannschaften in der Halbzeit die Trikots getauscht. Welle um Welle knallte gen Werner Fuchs Tribüne. Der Tivoli erwachte aus seinem zweijährigen Dornröschenschlaf und arbeitete sich langsam in Ekstase. In der 50. Minute zeigten wir ein Spruchband Richtung Essen und als hätte die Mannschaft nur darauf gewartet, setzte sie noch einen drauf und glich dieses Spiel im selben Moment aus. Die Droge Fußball zeigte endlich wieder ihre Wirkung und hämmerte uns die Synapsen weg. Der Tivoli kochte über und unsere Jungs dachten auf einmal, sie wären der Aufstiegskandidat. Der spielerische Rausch wurde begleitet von einer brachialen Lautstärke. Der Stift im Essener Höschen malte, Aachen drückte wie bescheuert und rot-weiße Felle schwammen vorbei.

Nach etwa 60 Minuten gönnte sich Aachen auf dem Rasen und den Rängen eine Verschnaufspause und ließ Essen wieder mitspielen. Die Stimmung blieb auf einem guten Niveau, jedoch war die Angst vor der Niederlage wieder spürbarer. Der Aachener Anhang stellte sich auf die gewohnte Zitterpartie in den letzten 15 Minuten ein. Unsere Jungs fanden jedoch rechtzeitig zu Ostern in ihren Hosen ein paar Eier und schmissen sich allem entgegen, was halbwegs nach Ball aussah. Unterstützt von einer in der Schlussphase wieder sehr geilen Stimmung brachte die Mannschaft dieses verdiente Unentschieden erstaunlich souverän über die Zeit.    

Die Essener rund um Vandalz und Rude Fans kamen verspätet im Gästeblock an, weswegen das Spiel um 10 Minuten nach hinten verschoben wurde. Dann legten sie allerdings einen Auftritt hin, der sich durchaus sehen lassen konnte. Starker Fahneneinsatz und gute Mitmachquote führten optisch zu einem der besten Auftritte seit langem auf´m Tivoli. Und auch akustisch waren sie immer wieder zu vernehmen, auch wenn sie in der 2. Halbzeit etwas abbauten. Lediglich die homophoben Gesänge Richtung VIP-Tribüne fielen in die Kategorie peinlich.  

Wir zeigten die Spruchbänder „Lieber in Liga 4 oder 5 unabhängig und frei, als die Hure eines Mannes in Liga 3“ mit Anspielung auf den Essener Investor Sascha Peljhan. Der Essener Durchschnittsdämel wird jetzt wahrscheinlich protestieren, dass das kein Investor sei, der ihm da gerade hinten reinlümmelt. Kenner der käuflichen Liebe wissen jedoch, dass Investor nur ein pauschalisierter Sammelbegriff ist und sich einfach seriöser anhört als Hurensohn. Tatsächlich wird Peljhan wie der Vater aller Hurensöhne eher als Mäzen verkauft, ohne jegliche Gewinnerzielungsabsichten. So hat er dem Verein zunächst ein Darlehen in einstelliger Millionenhöhe mit sehr freundlichen Rückzahlungsmodalitäten überlassen. Da aber mittlerweile auch der letzte Trottel verstanden haben sollte, dass sich Erfolg im Fußball nicht durch Einmalzahlungen, sondern nur durch stetigen Geldregen erkaufen lässt, wurde die Nummer jüngst um zwei Jahre verlängert. Weitere Verlängerungen werden folgen, bis auch der letzte Essener verstanden hat, dass es ohne Peljahn doppelt so schnell wieder in die andere Richtung gehen würde. Von Essener Seite wird dieses Gebaren auch noch als Vorzeigemodell angepriesen. Letztlich sind es aber diese Modelle, die unseren Fußball nachhaltig kaputt machen. Bei Investoren bekommen die Vereine wenigstens das Geld, das dem Wert ihrer Anteile entspricht. Beim Mäzentum wird der Wettbewerb hingegen dadurch entschieden, wer den liquidesten Edelfan hat. Bis dieser keine Lust mehr hat und den Verein wieder fallen lässt. Und die Essener Fanszene ist ehrlos genug, bei der Nummer auch noch mitzuspielen.

Spannend zu sehen wird, was passiert, wenn Essen wiederholt nicht aufsteigt. Wir sind stolz unseren Teil dazu beigetragen zu haben. So bekam unsere zweites Spruchband „Wir werden uns wieder sehen“ am Ende des Spiels eine andere Bedeutung als ursprünglich geplant.     

Nächste Woche geht es wieder rauf auf’s Land. Ein umzäunter Erdhügel wartet darauf, uns in Ekstase zu versetzen. Corona macht´s möglich…

Die Bilder des Spieltags sind hier zu finden.

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